Samstag, 27. November 2010

Politische Fabeln zum Revolutionsjahr 1848


Bild des Autors aus dem Buch

Vorrede

Die Fabeln, wie sie hier dem Publikum vorgelegt werden, sind ein Denkmal der wichtigsten Tage, welche die Oesterreichische Monarchie erlebt. Sie entstanden nach denMärztagen des ewig denkwürdigen Jahres 1848, in einer trüben und gesetzlosen Zeit.

Mit pochendem Herzen, mit unbeschreiblicher Freude und die Seele voll froher Hoffnungen hat der Fabeldichter die Ereignisse des 13. und die Gabe des 15. März 1848 begrüßt. Wenn Jemand für wahre Freiheit empfänglich war, so war Er’s; wenn Jemand den wahnwitzigen und grausamen Druck des Geistes, wie ihn Graf Sedlnitzky und seine Werkzeuge über Oesterreich gebracht und bis zur Unerträglichkeit gesteigert hatten, gehaßt und verwünscht hat: so war Er’s; wenn Jemand die Mißbräuche des alten und verkrusteten Systems geändert und geheilt, gewisse Privilegien vernichtet, die Menschenwürde überall anerkannt, und Bruderliebe, unter Nationen wie von Einzelnen, geübt wissen wollte: so war Er’s. Aber entsetzlicher wurden noch nie die Erwartungen und Hoffnungen getäuscht, welche der Freund wahrer Freiheit, der seinem Vaterland und Kaiser treue Sohne Oesterreichs mit klopfendem Pulse gehegt!



I.
Seid gewarnt!

Am Ufer der silberglänzenden Donau lag ein Schiff angekettet. Ein günstiges Lüftchen wehte, der helle blaue Himmel sammt seiner leuchtenden Sonne spiegelte sich schön in den Wogen, und Welle um Welle schlüfte lustig dahin und lockte murmelnd das Schiff, zu folgen in freier Fahrt - aber es war ja gefesselt! Da murrten die Leute auf dem Fahrzeug, die lange genug auf Einer Stelle gestanden, und die Muthigsten rissen im edlen Grimm die Kette durch und durch. Frei flog das Schiff, von seinem Ruder gelenkt, hin auf dem silbernen Rücken der Flut. Diese Freiheit gefiele Anfangs den Schiffenden, bis Einer auf das Ruder weiset und spricht: »Was nennt Ihr unser Schiff frei! Seht Ihr nicht hier seinen Gebieter und Herrn, der den Lauf vorzeichnet und in die bestimmte Bahn es drängt?« - »Ja, noch viel freier soll unser Fahrzeug sein!« riefen die trunkenen Schiffer und warfen das Ruder stracks über Bord. Aber das war eine böse Freiheit! Sie und ihr Boot rannten dem Strudel zu; an seinen Klippen zerscholl das rathlose Fahrzeug, und das schöne Schiff sank mit Mann und Maus kläglich in die unerforschten Tiefen hinab.

Ich brauch‘ Euch die Moral nicht zu erklären. Ihr habt dem staatlichen Schiffe Oesterreich, in dessen mit doppel- und dreifarbigen Flaggen geschmückten Raaen ein lustiger Wind seine lockenden Freiheitssprüche bläst, die dickgeschmiedete, aber rostdurchfressene Kette zerrissen. Und mit Recht jubelt Ihr, denn frei ist das Schiff. Doch, Freunde, hütet Euch, im trunkenen Taumel, um es freier als frei zu machen, auch das Ruder über die Flanken zu werfen: ich brauch‘ es Euch nicht zu deuten - ein anderer Name heißt es Gesetz!

Politische Fabeln
Erinnerungen an die
stürmischen Tage des Revolutions-Jahres 1848
von J. S. Ebersberg
Wien, 1849
Im Comptoire des „Wiener Buschauers.“
(Dorotheergasse, Nr. 1108.)

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