Freitag, 23. April 2010

Das Reh und der Hund


Ein zartes Reh, das gar zu sicher ruht,
Erhascht ein Hund, der keinen Dickigt scheute.
Er beisst es an, leckt das vergoßne Blut,
Und küsst zugleich die angenehme Beute.
Da seufzt das Wild: Welch Mitleid rühret dich?
Du kömmst als Feind, und raubest mir das Leben.
Und mir willst du doch solche Küsse geben,
Als wäre dir kein Freund so lieb, als ich?
Ich bitte sehr, hör auf mit deinen Bissen;
wo nicht, verschone mich mit Küssen.

Friedrich von Hagedorn
aus: Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Zweytes Buch

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