Freitag, 13. November 2009

Die Schildkröte


Dschuang Dsi fischte einst am Flusse Pu. Da sandte der König von Tschu zwei hohe Beamte als Boten zu ihm und ließ ihm sagen, daß er ihn mit der Ordnung seines Reiches betrauen möchte.

Dschuang Dsi behielt die Angelrute in der Hand und sprach, ohne sich umzusehen: »Ich habe gehört, daß es in Tschu eine Götterschildkröte gibt. Die ist nun schon dreitausend Jahre tot, und der König hält sie in einem Schrein mit seidenen Tüchern und birgt sie in den Hallen eines Tempels. Was meint Ihr nun, daß dieser Schildkröte lieber wäre: daß sie tot ist und ihre hinterlassenen Knochen also geehrt werden, oder daß sie noch lebte und ihren Schwanz im Schlamme nach sich zöge?«

Die beiden Beamten sprachen: »Sie würde es wohl vorziehen, zu leben und ihren Schwanz im Schlamme nach sich zu ziehen.«

Dschuang Dsi sprach: »Geht hin! Auch ich will lieber meinen Schwanz im Schlamme nach mir ziehen.«

Dschuang Dsi
Übers: Richard Wilhelm

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