Donnerstag, 17. September 2009

Die Spinne und die Schwalbe


Die Spinne sah mit Misvergnügen,
Wie öfters eine Schwalbe kam,
Und, durch den Raub der besten Fliegen,
Ihr Unterhalt und Nahrung nahm;
Dieß, sprach sie, kann ich nicht mehr leiden,
Ich will dir die Gelegenheit,
Du Nahrungsdieb, gar bald beschneiden.

Drauf zog sie in Geschwindigkeit
Ein Netz vor die zerbrochnen Scheiben,
Wodurch die leichte Schwalbe flog;
Hier dachte sie, wird sie hangen bleiben,
Wiewohl sie sich gar sehr betrog.

Denn als die Schwalbe wiederkommen,
hat sie das Netz, weil es nicht hielt,
Zusammt der Spinnen fortgenommen;
So war die Rachlust schlecht gekühlt.
*
Wenn Schwächre sich an Stärkern rächen,
Pflegt es nicht anders herzugehn;
Wo Nachdruck und Gewalt gebrechen,
Da läßt sichs schwerlich widerstehn.
Ein Zorn, der ohne Kraft und Macht,
Tobt nur umsonst, und wird verlacht.

Daniel Wilhelm Triller
aus: Neue Aesopische Fabeln,
wrinnen in gebundener Rede
allerhand erbauliche Sittenlehren
und nützliche Lebensregeln
vorgetragen werden.
Hamburg, 1740

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