Dienstag, 30. Juni 2009

Eine Fabel ist ja keine Predigt

CLEON. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht überreden?

DER MAGISTER. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Überredung, die man Beweise kai hans ôpon nennen könnte. Dergleichen sind bei den alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten, die nicht scharf denken können, tun diese witzigen Blendwerke oft gute Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in einem Fabelbuche eines jungen Menschen in Leipzig gefunden hätte, der sich durch seine Fabeln und Erzählungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat.

CLEON. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die Fabel hübsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darüber. Eine Fabel ist ja keine Predigt. Es muß ja nicht alles so akkurat sein. Meine Tochter wird dich nicht verraten. Mache, daß sie Ja spricht: so will ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken.

Der Magister geht ab.


Christian Fürchtegott Gellert
Die zärtlichen Schwestern
1. Aufzug

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