Montag, 13. April 2009

Der Hase und die Frösche


In grünem Lager träumt ein Hase.

Gewiß, es träumt sich schön im Grase,
Doch unsern Hasen quält es nur.
Er lag betrübt, von Angst gehetzt,
Und sinnend sagte er zuletzt:
»Tiere, die furchtsam von Natur,
Unselig sind sie, denn sie wissen
In Ruh zu essen keinen Bissen.
Nie reine Freude, ewige Hatz –
So ist mein Leben. Bangigkeit
Treibt fort und fort von Platz zu Platz,
Daß nicht einmal der Schlaf gedeiht:
Mit offnen Augen muß ich liegen.
›Soändre dich,‹ vielleicht ein Weiser zu mir spricht.
Ja, läßt sich Furcht denn je besiegen?
Ich glaub sogar mit Zuversicht,
Daß selbst die Menschen so dem Fürchten unterliegen.«
Also philosophierte unser Hase,
Stets auf der Wacht mit Aug und Nase.
Ein Hauch, ein Schatten läßt Gefahr ihn wittern,
Ein Nichts macht ihn erzittern.

Das arme Tier, voll Qual
Nachhängend diesen Dingen,
Vernahm ein leis Geräusch; das war ihm ein Signal,
Aus dem Versteck emporzuspringen,
Zu flüchten bis zum Teich im Tal.
Da! Frösche, die ins Wasser hüpfen,
Frösche, die schnell in ihre Grotten schlüpfen!
»Oh,« sprach der Has, »ich richte hier
Dasselbe an, was man bei mir
Anrichtet. Meine Gegenwart
Verursacht Schrecken gleicher Art,
Verbreitet Aufruhr weit und breit.
Wie kommt mir diese Tapferkeit?
Man zittert, fege ich durchs Feld.
So bin ich also doch ein Held!«

Ich aber sag zum guten Ende,
Was ihr wohl selber wißt:
Kein Feigling, der nicht einen fände,
Der nicht noch feiger ist!

Jean de Lafontaine

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