Montag, 1. September 2008

Von einem Vrösche und einer Miuse



von Untriuwe und von Triegende

Ein vrösch zuo einer miuse sprach
alrêrst do er sie an gesach:
»got grüez dich, trût gespile min!
stæt sol unser vriuntschaft sin!«
diu mûs den weg nicht mochte hân,
daz hâte ein vliezent bach getân.
»ich wil dir helfen, samir got!«
sprach der vrösch »ân allen spot,
daz du wol kumest in din hûs.«
an sinen vuoz hant er die mûs
mit einer snüere. daz beschach.
der vrösch zuo der miuse sprach:
»ich wil dich lêren swimmen wol
(untriuwen was sin herze vol),
sô macht wol komen in din hûs.«
»wol hin!« sprach diu tumbe mûs.
der vrösch bald in daz wazzer vlôch,
an dem vuoze er nâch im zôch
die mûs; er wolt sich senken
und sinen vriunt ertrenken.
diu mûs strebt ûf, der vrösch zôch nieder;
daz er gelobt, dâ tet er wider,
sin triuwe er an der miuse brach.
ein küener wîge daz ersach
und schiet den argen krieg alsô,
daz er sie beide machte unvrô.
die mûs er in die klâwen vieng,
der vrösch vast an der snüere hieng,
da er sich hât verstricket in.
ir beider leben was dâ hin:
er liez si vallen ûf daz gras,
vil balde er sie beide vraz.

Im selben gruob et dicke ein man,
und wænt eim andern gruobet hân.
an untriwe, wâ diu vür gât,
ein guotez ende selten stât.
wà wort und werk sint ungelîch,
der mensch wirt kûm an èren rich.
wâ diu zung mit rügenheit
verbirgt des herzen valschekeit,
vil kûme sich wip oder man
vor dem valsch gehüeten kan.
hæte der vrösch dâ nicht betrogen
die mûs, und als værlich gelogen,
sô möcht er vil wol sin genesen.
geschant al velscher müezin wesen!

Ulrich Boner (um 1300)
aus: Der Edelstein
Herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1844

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