Freitag, 26. September 2008

Von einem Fuchs und einen Raben

Von torechter uppekeit

Ein fuchs eis mals hungern began.
Under einen hochen böm er kan,
Uf den ein rappe kam geflogen
Mit einem kes, den er gezogen
Von einem spicher hatte do.
Des was der fuchs unmassen fro.
Do in der fuchs von erst ersach,
Mit glatten worten er do sprach:
“Got grus uch, lieber herre min!
Uiwer diener wil ich sin,
Und iemer wesen uwer knecht.
Das dunkt mich billich unde recht;
Ir sint so edel und so rich.
Kein vogel mag sin uwer glich
In allen kunigrichen.
Ich wen, uch mus entwichen
Der sperwer und das velkelin,
Der habk und öch des pfawen schin.
Sus ist uwer kelen schal.
Uiwer stim hort man uberal
In dem wald erklingen,
Wen ir geratent singen;
Des hab ich wol genomen war.”
Der rappe sprach: “Du sagest war.”
“Nu singent, lieber herre min!”
Do sprach der rappe: “Das sol sin!”
Er lies sin stim us, unde sang,
Das es durch den wald erklang.
In dem gesang enpfiel im do
Der kes; des wart der fuchs vil fro.
Des must der rappe schamrot stan,
Dar zu must er den schaden han.
Es ist noch billich, samir got,
Das der hab schaden unde spot,
Wer dem glichsner glöbet bas
Dan im selben. Wissent das,
Das ubermessig uppekeit
Und zu vil eren laster treit
Und gebirt dem selben man,
Der sich des lobes nimet an,
Des er, noch sin geslechte nie
wirdig wart: als es nu hie
In dirre bischaft ist worden schin.
Du glichsner iemer mussent sin
Verwassen, und öch der da bi
Der ein valscher verrater si.

Ulrich Boner (um 1300)
aus: Der Edelstein
Herausgegeben von George Friederich Benecke, Berlin 1816

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